RADIOBEITRAG RADIO OKJ zum Aktionstag der MediNetze aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen

<<RADIOBEITRAG WIRD AM 18.11.20 15:30 AUSGESTRAHLT>>

In Thüringen und Deutschland gibt es zahlreiche Menschen, die nicht krankenversichert sind. Sie können nicht einfach zu Ärzt:innen gehen, wenn sie krank sind. Das MediNetz Jena wurde 2011 gegründet, um diesen Menschen eine Krankenversorgung zu vermitteln bzw. eine Erstversorgung zu ermöglichen. Im Laufe der Zeit stieg die Patient:innenzahl an und überstieg damit die Kapazität des Vereins. Aus der Not wurde eine Tugend gemacht und 2016 ein neuer Verein gegründet, der sich durch eine Finanzierung des Landes Thüringen um die Versorgung der Patient:innen kümmert: der Anonyme Krankenschein Thüringen e.V. (AKST). Neben der gesundheitlichen Versorgung ist die weitere Aufgabe des AKST die (wieder)Vermittlung in eine Krankenversicherung. Durch diesen Verein ist es in Thüringen möglich vielen Menschen ohne Versicherung eine Gesundheitsversorgung zu sichern. Der AKST ist somit Vorbild für andere Bundesländer.
Wie genau der AKST funktioniert und vor welchen Problemen er aktuell steht, kann man in einem Radiointerview erfahren, was mit einem Vorstandsmitglied beider Vereine und einem Mitglied des MediNetzes geführt wurde. Dieser wird am 18.11.2020 um 15.30 Uhr beim „Offener Kanal Jena“ (OKJ) in der Sendung „Jena-Zeit“ ausgestrahlt. Ihr findet ihn auch unter folgendem Link.




Allgemeine Pressemitteilung:

Die Medinetze und -büros aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen kündigen für den 06.11.2020 einen überregionalen Aktionstag an. Mit vielfältigen Aktionsformen wollen sie auf die aktuellen Missstände im deutschen Gesundheitssystem aufmerksam machen, insbesondere im Bezug auf die Versorgung von Menschen ohne Krankenversicherung.

„Dass das deutsche Gesundheitssystem vor allem gegenüber Randgruppen der Bevölkerung nicht solidarisch ist, wissen wir nicht erst seit Beginn der Corona-Pandemie.“, so eine Aktivistin des Medinetzes Leipzig. „Doch seit der Corona-Pandemie zeigt sich die Dringlichkeit des Problems so deutlich wie nie zuvor. Dass es überhaupt Menschen gibt, die in Deutschland nicht krankenversichert sind, ist vielen gar nicht bewusst. Doch zum Beispiel Wohnungslose, Menschen aus dem EU-Ausland, Asylsuchende und viele andere Gruppen haben hier kaum oder gar keinen Zugang zu Gesundheitsversorgung.“  Das Statistische Bundesamt gab für das Jahr 2019 eine Zahl von rund 61.000 Unversicherten mit deutscher Staatsbürgerschaft oder gültigem Aufenthaltstitel an. (1)

Wissenschaftliche Untersuchungen gehen außerdem davon aus, dass sich 2015 etwa 180.000 bis 520.000 Menschen ohne Papiere in Deutschland aufhielten. (2)

Wenn Menschen es aus Angst vor hohen Kosten oder rechtlichen Konsequenzen vermeiden, einen Arzt oder eine Ärztin aufzusuchen, führt dies zu vermeidbaren Verschlimmerungen und Chronifizierungen von Erkrankungen.

In ganz Deutschland arbeiten die Medinetze und -büros seit Jahren praktisch und politisch daran, diesen Missstand zu beheben. Sie engagieren sich ehrenamtlich, um für Menschen ohne Krankenversicherung medizinische Versorgung zu vermitteln. Aber ihr langfristiges Ziel ist ein anderes. „Es kann nicht Aufgabe eines ehrenamtlichen, spendenfinanzierten Vereins sein, die Gesundheitsversorgung eines ganzen Teils der Bevölkerung zu ermöglichen. Diese Aufgabe sehen wir beim deutschen Staat“, so ein Mitglied des neugegründeten Medibüros Chemnitz. Ein mögliches Konzept, um für Menschen ohne Krankenversicherung möglichst niedrigschwellige medizinische Versorgung zu ermöglichen, ist ein sogenannter Anonymer Behandlungsschein, der von unabhängigen, öffentlich geförderten Stellen ausgegeben wird. Diese Stellen ermöglichen es Betroffenen, anonym und kostenfrei Gesundheitsversorgung in Anspruch zu nehmen. Gleichzeitig wird über eine Clearingberatung versucht, gemeinsam mit den Menschen einen Weg in die medizinische Regelversorgung zu finden.

In Thüringen bewährt sich dieses Konzept bereits seit 2017 landesweit; seit 2019 gibt es ein ähnliches Projekt in der Stadt Leipzig. In Sachsen-Anhalt und Sachsen arbeiten Mitglieder der dortigen Medinetze und -büros gerade an der Umsetzung ähnlicher Projekte auf Landesebene.

„Mit einem Anonymen Behandlungsschein wären längst nicht alle Misstände des deutschen Gesundheitssystems beseitigt“, gibt ein Aktivist des Medinetzes Halle zu. „Aber für viele Menschen, die sich im Moment nicht darauf verlassen können, dass sie Zugang zu einer Behandlung hätten, wenn sie krank werden, würde die Einführung eines solchen Projekts eine massive Verbesserung der Situation bedeuten. Mit dem Aktionstag möchten wir auf unsere Initiative aufmerksam machen.“

(1) StBA – Statistisches Bundesamt (2019). Weniger Menschen ohne Krankenversicherungsschutz. Pressemitteilung Nr. 365 vom 15.September 2020. Abzurufen unter:https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2020/09/PD20_365_23.html

(2) Vogel, Dita (2016). Kurzdossier: Umfang und Entwicklung der Zahl der         Papierlosen in Deutschland. Fachbereich 12. Arbeitsbereich Interkulturelle Bildung. AbIB-Arbeitspapier 2/2016. Abzurufen unter: http://docplayer.org/49503644-Kurzdossier-umfang-und-entwicklung-der-zahl-der-papierlosen-in-deutschland.html

Youtube-Premiere 08.05.20 „Wo bleibt der Mensch? Was läuft falsch an unseren Kliniken?“

Die Premiere unserer Veranstaltung „Wo bleibt der Mensch? Was läuft falsch an unseren Kliniken? Offene Podiumsdiskussion zur Ökonomisierung im Gesundheitswesen“ wir am Freitag, den 08.05. 20.15 zur Primetime um 20.15 auf Youtube stattfinden.

Die Podiumsdiskussion wurde am 23.10.2019 in Jena veranstaltet und aufgenommen.

Während dieser kleinen Premiere werden mögliche aufkommende Kommentare von zwei MediNetzler:innen moderiert. Wir freuen uns über viele Interessierte!

Mehrsprachige Informationen zum neuartigen Corona-Virus (SARS-CoV-2) / Information on the new Corona Virus (SARS-CoV-2)

Liebe Mitmenschen,
wir vom MediNetz Jena wollen in Zeiten der Corona-Krise (genauer SARS-CoV-2) alle unterstützen, deren Zugang zu relevanten Informationen und medizinischer Versorgung eingeschränkt ist. Die folgenden mehrsprachigen Informationen über die aktuelle Situation, Anlaufstellen, Online-Angebote, (medizinische) Beratungs- und Behandlungsangebote, Adressen und telefonische Hilfen sollen dabei weiterhelfen. Bleibt gesund und umsichtig!

Dear all,
in times of the Corona crisis (more precisely SARS-CoV-2), MediNetz Jena wants to support those who miss sufficient access to relevant information and medical support. We want to share multi-lingual knowledge about the current situation and about how to gain (medical) consulting and treatment. The following content contains supporting facilities, websites and links, addresses and telephone numbers. Stay healthy and prudent!

1. Allgemeine Informationen / General information

1.1. WAS ist eigentlich das neuartige Corona-Virus? Wie gehe ich damit um? Wie sollte ich mich verhalten?

1.1. WHAT is the novel Corona virus actually? How should I deal with it? How should I act?

a) Allgemeine Informationen der Johanniter, Stand 13.03.2020

a) General information provided by the Johanniter, Effective 13.03.2020

b) Website handbook germany in Arabisch, Englisch, Persisch, Französisch, Pashtu und Deutsch.

b) Website handbook germany in Arabic, English, Persian, French, Pashtu and German.

c) Die „Corona-Initiative“ des Ethno-Medizinischen Zentrum informiert online in 15 Sprachen zu Schutzmöglichkeiten, Quarantäneregeln und medizinischen Basisinformationen.

c) The „corona-initiative“ of the Ethno-medical centre informs in 15 languages about save places, a code of conduct in case of quarantine and medical basic information.

1.2. WO (in Jena) und WER kann getestet werden? 

1.2. WHO can be tested and WHERE (in Jena)?

Fiebersprechstunde Gesundheitsamt Jena (nach telefonischer Terminabsprache):

fever consultation at the Jena health office (by telephone appointment):

03641/49-2222

Website des Gesundheitsamtes Jena / Website of Jena health office

1.3. WO in Jena bekomme ich weitere Hilfe?

1.3. WHERE in Jena do I get further help?

Informationen der Bürgerstiftung Jena zu Hilfen in Jena

information of Bürgerstiftung Jena about help in Jena

Website der / of Bürgerstiftung Jena

2. Spezifische Informationen für Nicht-Versicherte und Geflüchtete / Specific information for people without a health insurance or refugees?

… AN WEN kann ich mich wenden? WOHER bekomme ich Hilfe, WENN ICH KEINE VERSICHERUNG HABE oder WENN ICH GEFLÜCHTET BIN?

… WHOM should I contact? WHERE can I get help IF I DON’T HAVE AN INSURANCE or IF I AM A REFUGEE?

Website vom / of Flüchtlingsrat Thüringen

Website vom / of Anonymen Krankenschein Thüringen

Website von / of ProAsyl

ABGESAGT: MediNetz SOLIPARTY 14.03.

+++EILMEDLUNG+++

Leider müssen wir unsere Soliparty am 14. März 2020 absagen.
Die Stadt Jena verbietet ab Samstag Veranstaltungen mit mehr als 100 teilnehmenden Personen. Das ist sinnvoll, da am Monatg der erste Corona-Fall in Jena bestätigt wurde. Es ist mittlerweile bekannt, dass die Infektionen bei 6% der Erkrankten tödlich verlaufen. Wir sollten uns gegenüber allen gefährdeten Personen solidarisch verhalten. Dazu gehört es in der aktuellen Situation auch, das eigene soziale Leben teilweise einzuschränken.
Jeder neue Fall ist eine Belastung für unser Gesundheitssystem, das momentan schon am Limit ist. Schwere Konsequenzen drohen den Menschen, die jetzt schon unter prekären Bedingungen leben und arbeiten.

Seid solidarisch und passt aufeinander auf!
Eure MediNetz-Partycrew

Das MediNetz Jena schmeißt eine fette Soli-Party am 14. März zusammen mit den Leuten von Critical Crisis Concerts.


20:00 – 23:30 Punkrock-Konzert

00:00 – 01:30 Konzert Ivory Kashinsky

01:30 – 03:00 Do J // Leipzig // Disco

03:00 – 04:30 Johann Kaspar // Leipzig // Techno

04:30 – 06:00 Toni Pfad // Jena // Techno


Toni Pfad
https://soundcloud.com/toni-pfad


Johann Kaspar
https://soundcloud.com/johannkasparliezo


Es gibt die übliche Bar mit nicen Getränken und am Soli-Stand noch leckere Cocktails. Außerdem servieren wir euch als Party-Snacks VEGANE BURGER und noch weitere Überraschungen. Wir freuen uns, mit euch eine geile Party zu feiern und richtig nice zu dancen.
Für Fragen zur Location, schreibt uns eine Mail oder kommentiert!

„Es gibt keine gute Medizin ohne Politik“ – Rückblick auf die Podiumsdikussion des MediNetz Jena e.V. zur Ökonomisierung des Gesundheitssystems

von Anja Gawlitza, Jasper Steingrüber, Alexander Seltmann, Kai Sporkmann, Friederike von Breitenbach, Christiane Kampen

Pflegenotstand, Diskussionen um eine Verringerung der Anzahl deutscher Kliniken bis hin zu hochspezialisierten „Superkliniken“, Reform der Notfallversorgung, Privatisierung von Krankenhäusern – die Ökonomisierung des deutschen Gesundheitswesens ist in aller Munde und betrifft direkt oder indirekt nicht nur die Beschäftigten im Gesundheitswesen, sondern auch jeden, der auf medizinische Hilfe angewiesen ist.

Daher veranstaltete das MediNetz Jena am 23.10.2019 die Podiumsdiskussion zum Thema „Wo bleibt der Mensch?“. Ausschnitte aus dem 2018 erschienenen Dokumentarfilm „Der marktgerechte Patient“ von Leslie Franke und Herdolor Lorenz bildeten die Grundlage für rege Diskussionen. In einer Runde bestehend aus Thüringens Gesundheitsministerin Heike Werner (Die Linke), dem kaufmännischer Vorstand des Universitätsklinikums Jenas (UKJ) Brunhilde Seidel-Kwem, dem Vorsitzenden des Vereins Demokratischer Ärztinnen und Ärzte Peter Hoffmann und Ellen Ost – Fachkrankenpflegerin am UKJ – wurde kritisch über die Ökonomisierung des Gesundheitssystems debattiert. Zuschauer*innen konnten sich über einen freien Stuhl direkt an der Diskussion beteiligen. Die zusätzlich eingeplante Vertreterin der Privatkliniken Thüringens konnte krankheitsbedingt leider nicht teilnehmen.

Die mit über 190 Teilnehmer*innen sehr gut besuchte Veranstaltung in den Rosensälen Jenas war aus Sicht der Organisator*innen ein voller Erfolg. Spannung lag aufgrund laufender Verhandlungen zwischen ver.di und dem UKJ bereits vor Veranstaltungsbeginn spürbar in der Luft – mit Kreide hatten Teilnehmer*innen des Bündnisses „Mehr Personal für unser UKJ“ Slogans auf die zuführenden Wege zu den Rosensälen geschrieben – „Die Klinik ist keine Fabrik“.

Frau Werner betonte, dass „die Not Gewinne machen zu müssen im Gesundheitssystem zu Verwerfungen“ führe. Der wirtschaftliche Druck, insbesondere das Fallpauschalensystem führe zum Abbau von Pflegekräften und setzte wirtschaftliche Fehlanreize für Kliniken. Das Kernelement des Fallpauschalensystems ist der Fallpauschalenkatalog mit den sogenannten DRGs (diagnosis related groups). Anhand von DRGs werden Patientenfälle, die sich medizinisch ähneln und einen durchschnittlich ähnlichen Ressourcenverbrauch aufweisen (z.B. Einsatz einer künstlichen Hüftprothese), zusammengefasst und abgerechnet – allerdings unabhängig von der Verweildauer im Krankenhaus oder tatsächlich verursachter Kosten wie zum Beispiel durch bessere Pflege. Frau Werner plädierte für eine bessere Pflegepersonalbemessung und die Abschaffung von DRGs. Bisher habe sich die Linke in Thüringen für eine gute Qualität gesundheitlicher Versorgung mittels Einführung der Facharztquote eingesetzt. Dem gerechten Zugang zu gesundheitlicher Versorgung sei man durch Programme zur Gesundheitsprävention nachgekommen. Dem Pflegenotstand selbst müsse hingegen auf Bundesebene begegnet werden.

Klare Worte fand Herr Hoffmann, Oberarzt der Anästhesie eines städtischen Klinikums in München: „Ärzte sind im Fallpauschalensystem Opfer und Täter zugleich“ und rät zur Netzwerkbildung, um Missstände im Gesundheitssystem zu beseitigen. Mit seiner Botschaft richtet er sich besonders an junge Ärztinnen und Ärzte: „Es gibt keine gute Medizin ohne Politik. In den 80er Jahren war es verboten mit Krankenhäusern Gewinn zu machen. Da müssen wir wieder hin!“ In Bezug auf DRGs erklärte er die Rationale der Kliniksökonom*innen: „ein guter Patient bringt Kohle, ein schlechter kostet Kohle“. Im gegenwärtigen Entgeltsystem seien besonders Eingriffe an Herz, Wirbelsäule, Hüft- und Kniegelenk lukrativ und würden deswegen oft auch bei fraglicher Notwendigkeit durchgeführt.

Frau Seidel-Kwem entgegnete, sie wisse nicht welche Operationen lohnend seien. Medizin sei „Dienstleistung im Vertrauen“. Auf die Frage des Moderators Christian Gesellmann, wie finanzielle Verluste einer Klinik beispielsweise durch schwerkranke Kinder als Verlierer des Fallpauschalensytems ausgeglichen werden, verwies Seidel-Kwem auf Querfinanzierung: Am Ende müsse es „unterm Strich passen“. Damit wurde die Finanzmittelknappheit der Kinderkliniken thematisiert. Mehrkosten der aufwendigen Kindermedizin werden im aktuellen DRG-System nicht ausreichend refinanziert, sodass pädiatrische Abteilungen teilweise sogar Verluste generieren, die durch andere erlösstarke Fachabteilungen ausgeglichen werden müssen. Damit gefährdet die Unterfinanzierung die gesundheitliche Versorgung von Kindern und führt besonders in der Kinderintensivmedizin zu einer prekären Lage. Als Ökonomin positionierte sich Frau Seidel-Kwem dennoch als klare Verfechterin für das Fallpauschalensystem. Krankenkassen und Krankenhausgesellschaften berechneten DRGs jährlich neu auf Basis von gemittelten Kostendaten 250 deutscher Krankenhäuser.

Herr Hoffmann stimmte Frau Seidel-Kwem insofern zu, als dass DRGs „rechnerisch seriös“ seien, plädierte aber dennoch dringend für die Abschaffung des Fallpauschalensystems: Mit der Abrechnung nach Fällen sei zwangsläufig der wirtschaftliche Fehlanreiz verbunden, die Fixkosten – vor allem Personal – möglichst zu reduzieren und die Einkünfte durch Generierung von mehr, medizinisch teils fragwürdiger DRGs zu erhöhen.

Frau Ost, die als Gewerkschaftsmitglied bei ver.di den Verhandlungsrunden über den mittlerweile verabschiedeten Tarifvertrag zur Entlastung am UKJ beigewohnt hat, berichtete von einem typischen Arbeitstag. In der Nierenheilkunde am UKJ müsse eine Pflegekraft regelmäßig 13 Patient*innen allein versorgen. Der ständige Stress bei der Arbeit führe dazu, dass man auf die individuellen Bedürfnisse der Patient*innen nicht mehr eingehen könne. „Ich möchte meine Patienten bedarfsgerecht pflegen können!“ wünscht sich Frau Ost. Die Pflege könne schon lange nicht mehr das leisten, was sie leisten müsste. Die Politik habe verschlafen auf veränderte Bedingungen in den Krankenhäusern zu reagieren. Man habe lange Zeit zu wenig Pfleger*innen ausgebildet. Heute nutzten viele Auszubildende der Pflege die Ausbildung als Sprungbrett für das Medizinstudium. Andere würden nach wenigen Jahren im Beruf umschulen, weil sie sich die prekären Arbeitsbedingungen nicht ein Leben lang antun wollten. Das System sei bei Krankenfällen kurz vor dem Kollaps. Insgesamt fehle es an Wertschätzung für die geleistete Arbeit der Pflege.

Frau Seidel-Kwem sprach im Kontext des Pflegenotstandes von einem „negativen Narrativ der Pflege“, in dem die Pflege einseitig als „Opfer“ dargestellt werde. Dies mache die Ausbildung zur Pflegekraft für Bewerber*innen unattraktiv. Herr Hoffmann stellte abschließend treffend fest, bei Bettensperrung oder gar Stationsschließung „erfahren wir, dass Pflege Bedeutung hat. Dafür hätte man einfach nur die Augen aufmachen müssen“.

Weitere Themen der Podiumsdiskussion waren unter anderem die Privatisierung von Krankenhäusern, Gewinner und Verlierer des Fallpauschalensystems und die Zukunft des regionalen und überregionalen Gesundheitssystems.

Haben Sie Lust, auch langfristig die Gesundheitspolitik in Thüringen mitzugestalten? Machen Sie beim MediNetz Jena e.V. mit!

Wo bleibt der Mensch? Eine offene Podiumsdiskussion! (VORBEI)

Wann? 23.10.2019, Einlass 18:30 Uhr, Beginn 19:00 Uhr
Wo? Großer Rosensaal, Fürstengraben 27, Jena

Nur vier Tage vor der Thüringer Landtagswahl trifft sich das Who’s Who der thüringischen Gesundheitsversorgung zur Diskussion:
– Die thüringische Gesundheitsministerin, Heike Werner (Die Linke)
– der Kaufmännische Vorstand des Universitätsklinikums Jena, Brunhilde Seidel-Kwem
– der Geschäftsführer des Helios-Klinikums Erfurt, Florian Aschbrenner
– der Vorsitzende des Vereins Demokratischer Ärztinnen und Ärzte (vdää), Peter Hoffmann
– und eine Vertreterin der Pflege direkt aus Jena, Ellen Ost!

Unser Moderator, der Krautreporter Christian Gesellmann wird durch den Abend führen. Zunächst wollen wir die Diskutant*innen und ihre Ansichten in kurzen Einzelgesprächen kennenlernen. Dann soll es direkt in die Diskussion gehen – Kann das Gesundheitssystem marktwirtschaftlich gedacht werden? Was ist besser – privates oder öffentliches System? Wie steht es mit den Arbeitsbedingungen? Und wie sieht die Zukunft des Gesundheitssystems aus?

Dabei haben wir als besonderes Schmankerl einen freien Stuhl auf dem Podium platziert, auf dem Du Platz nehmen und Dich an der Diskussion für kurze Zeit beteiligen kannst!

Grundlage der Diskussion bildet der 2018 erschienene Dokumentarfilm „Der marktgerechte Patient“ von Leslie Franke und Herdolor Lorenz. Unser Ziel ist es, die komplexen Entwicklungen im Gesundheitssystem verstehbar zu machen und Möglichkeiten der Verbesserung von Patientenversorgung, Arbeitsbedingungen sowie der Selbstbestärkung im System aufzuzeigen.

Die Diskussion soll aufgezeichnet werden, um sie im Anschluss online zu verbreiten.

Gefängnismedizin (VORBEI)

In deutschen Gefängnissen leben ca. 52.000 Menschen. Obwohl Inhaftierte im Schnitt jünger als die Normalbevölkerung sind, sind sie dennoch auch kränker. Infektionskrankheiten wie HIV, Hepatitis und Tuberkulose spielen eine große Rolle. Daneben werden Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, arterielle Hypertonie und chronische Wunden oft verschleppt und unterbehandelt. Gleichzeitig gibt es in Deutschland jedoch nur wenige Gruppen, die sich für die Rechte von Inhaftierten stark machen. Es gibt Besonderheiten wie eine eingeschränkte Arztwahl/Ärztinwahl und eine andere Abrechnung als in der gesetzlichen Krankenversicherung.

Zusammen mit Karlheinz Keppler, einem erfahrenen Gefängnismediziner und Autor, wollen wir herausfinden, wie man sich diesen besonderen Patient*innen nähert, wie man ihre Rechte stärken und ihre medizinische Versorgung verbessern kann.

am 11.06.2019 um 18:00 Uhr

Im Hörsaal 7, Ernst-Abbe-Platz, Jena

Trust WHO (VORBEI)


Ob Tabakskandal, Schweinegrippe oder der Atomunfall in Fukushima: Die Rolle der WHO wurde bei diesen gesundheitlich relevanten Krisen auf unterschiedliche Weise kritisiert. Teilweise wurde ihr zu große Nähe zur Lobby der Wirtschaftsinteressen, dann wieder eine deutliche Überschätzung der Gefahr bis hin zur Panikmache vorgeworfen. Es ging aber auch um Verharmlosung der Gefahren und Untätigkeit, wo Handeln erforderlich gewesen wäre, wie in Fukushima. Betrachtet man diese großen globalen Krisen aus der zeitlichen Distanz und jenseits der aktuellen Diskussionen, muss man feststellen, dass sich die WHO in einer tiefen Krise befindet. Ihr fehlt es an Geld und Handlungsmöglichkeiten, an klar formulierten Zielen und an Transparenz. Und ihre Entscheidungen in wichtigen Momenten helfen am Ende oft weniger den Opfern und Patienten, als den Pharmafirmen und der Atomindustrie. 

Lilian Franck hat in trustWHO exklusive und intensive Gespräche mit allen zur Zeit des Drehs relevanten Verantwortlichen der WHO führen können. Zudem traf sie ehemalige Mitarbeiter und Whistleblower, die einen tiefgreifenden Einblick in die Strukturen der WHO ermöglichen und die Kräfte benennen, die Einfluss auf die WHO nehmen und ihre Arbeit erschweren.

TrustWHO ist eine sehr persönliche Investigation von Lilian Franck, die als Dokumentarfilmerin und auch als verantwortliche Mutter wissen will, ob eine weltweit agierende Organisation wie die WHO ihrer Aufgabe und Verantwortung überhaupt noch gerecht werden kann. Sind die Abhängigkeiten von den großen Geldgebern – seien es Staaten oder private Stifter – unabdingbar oder blockieren sie die eigentlichen Aufgaben der WHO?

http://www.trustwho.film/

Am 05.06.2019 um 20:00 Uhr

im Hörsaal 6, Ernst-Abbe-Platz, Jena