Woher weiß ich, welches Wissen im Studium zu hinterfragen ist? An welchen Stellen des UKJ und der FSU sollten wir über die Geschichte der Medizin Bescheid wissen und wo sind die falschen Namen in Stein gemeißelt? Inwiefern spielt Rassismus, Sexismus und überhaupt der Zugang zum Gesundheitssystems in den einzelnen Fächer eine Rolle? Und was hat das alles mit dem Klimawandel zu tun? Der Kompass für kritische Medizin richtet sich an Medizinstudierende im klinischen Abschnitt. Er soll motivieren über den Tellerrand zu schauen und stellt anhand der Fächer im jeweiligen Semester ein paar typische Themen der Kritischen Mediziner*innen vor.
Der Kompass für kritische Medizin ist eine Initiative von drei AGs der Fachschaft Medizin in Jena. Mitgearbeitet haben: Jan, Rosa und Katharina von Health for Future Jena; Martin, Lea, Janka und Clara von IPPNW/KritMed Jena und Robert vom MediNetz Jena. Design von Lea – Linia-Design. Wenn euch die Themen ansprechen, interessieren, ärgern oder nerven, dann seid ihr bei uns herzlich willkommen.
Am
17.4.2021 fand der zweite Teil des „How to be an Ally“-Workshop
statt. Der Workshop richtete sich an weiße
und damit privilegierte Menschen, die sich selbst rassismuskritisch
hinterfragen möchten und daran arbeiten möchten, ein (besserer)
Ally (eine:e Verbündete:r) für von Rassismus betroffene Menschen zu
sein. Der Workshop wurde online durchgeführt und von den erfahrenen
Anti-Rassismus-Trainer:innen Arpana
Berndt und Marijana Bogojević geleitet.
Zu
Beginn wurden einige Begrifflichkeiten thematisiert. Weiß
(in
diesem Sinne ein politischer und nicht auf die Hautfarbe bezogener
Begriff) ist jemand, die:der nicht von Rassismus betroffen ist. Es
gibt unterschiedliche Selbstbezeichnungen von/für Menschen, die von
Rassismus betroffen sind, die dann auch allgemein genutzt werden
können/sollten: PoC (People of Color), Black, Indigenous and People
of Color), Schwarz (auch hier wieder ein politischer Begriff). Ein
„Ally“ bzw. eine:r Verbündete:r ist jemand, die:der sich ständig
mit dem eigenen (rassistischen) Verhalten auseinandersetzt und die
eigenen Denkstrukturen hinterfragt. Dazu gehört auch, einzugreifen,
wenn man Rassismus bemerkt. Eines der Workshop-Kernelemente war die
Fokussierung auf die von Rassismus betroffenen Menschen. Eine
rassismuskritische Handlung sollte so geschehen soll, dass die
Bedürfnisse der von Rassismus betroffenen Menschen im Mittelpunkt
stehen. Da man dies aber unmöglich als weißer
Mensch wissen kann, muss man es absprechen. Des Weiteren wurde
schnell klar, dass ein rassismusfreies Handeln und Denken unmöglich
ist. Rassismus ist so tief in der Gesellschaft, sämtlichen
Strukturen und auch uns Menschen verankert, dass es (noch) nicht
möglich ist, sich ganz davon loszulösen.
Neben
dem theoretischen Input wurden das eigene Verhalten beim Beobachten
von rassistischem Verhalten anderer sowie
Rassismus-reproduzierende-Situationen der Teilnehmer:innen in
Kleingruppen besprochen, analysiert und anschließend in der
Gemeinschaftsgruppe vorgestellt. Daraufhin gab es nochmals Feedback
von den Trainer:innen und den restlichen Teilnehmenden. Das Feedback
von den Teilnehmenden war sehr positiv.
Insgesamt
dauerte der Workshop 4,5 Stunden. Wir fanden: die Zeit verging wie im
Flug! Die Atmosphäre war offen und respektvoll, sodass man seine
eigenen Unsicherheiten, Gedanken und auch Kritik am eigenen Verhalten
gut äußern konnte, ohne Angst haben zu müssen, dafür verurteilt
zu werden.
Auch
die Rückmeldungen der Teilnehmenden fielen sehr positiv aus. Hier
sind ein paar Beispiele:
„Mitgenommen habe ich mir, dass der unsichere Umgang mit Rassismus keinesfalls etwas Negatives ist, sondern gut, denn er dient der Reflexion und dem kritischen Auseinandersetzen mit dem eigenen Handlungsvorgehen in meiner Arbeit. Ebenso habe ich verinnerlicht, dass ich die Betroffenen für meine Reflexion mit einbeziehen darf und sollte, um so deren Bedürfnisse individuell berücksichtigen zu können. ….“
„Für
mich war im Workshop wenig Neues, aber ich fand die Info sehr
praktisch, dass es Beschwerdestellen gibt, wo man racial profiling
und/oder rassistische Polizeiübergriffe unabhängig von den direkt
Betroffenen melden kann. Das war ein super Tipp.“
„Der
Workshop hat mir wieder ins Bewusstsein gerückt, die
Auseinandersetzung mit Rassismus als einen kontinuierlichen und nie
endenden Prozess zu betrachten, die Perspektive der Betroffene als
oberste Priorität in den Mittelpunkt gerückt und so ermutigt, in
zukünftigen konkreten Situationen hoffentlich handlungsfähig(er)
sein zu können.“
„Ich
habe viele Anregungen mitgenommen und angefangen intensiver zum Thema
zu lesen. Trotz dessen, dass ich mich grundlegend bereits mit dem
Thema beschäftigt hatte, hat das Seminar viele Themen angesprochen,
die ich nicht so auf dem Schirm hatte und es erleichtert neues
Material zum Nachlesen zu finden. Die Perspektiven der beiden
Referent*innen waren sehr wertvoll und wertschätzend.“
„Es
ist den Referierenden sehr gelungen, einen Raum zu schaffen, wo
eigene rassistische Verhaltens- oder Denkmuster geäußert und
reflektiert werden konnten. Anzuerkennen, dass wir alle so
sozialisiert sind und es vor allem einen „Ally“ ausmacht, diesen
Zustand nicht abzustreiten, war eine wichtige Perspektive. Es tat
sehr gut, eine Sprache dafür zu finden. Die eigene Rolle hinten
anzustellen und den Betroffenen Handlungsspielraum zu geben, war eine
zentrale Botschaft. Es war nur schade, dass wir nach 4,5h aufhören
mussten!“
„Im
Alltag fällt es bei aller Reflektiertheit doch immer wieder schwer,
sich die eigenen rassistischen Gedanken und Verhaltensweisen
einzugestehen, radikal zuzugeben und mit anderen zu besprechen. In
dem Workshop wurde eine Gesprächsebene eröffnet, in der auch ich
mich getraut habe, meine eigenen Geschichten zu teilen, in denen ich
rassistisch gehandelt habe – inklusive aller Scham, die dabei
hochkam. Und diese Gesprächsräume halte ich für extrem wichtig in
der antirassistischen Arbeit.“
Einladungstext:
Am 17.4.2021 von 16:00 bis ca. 20:30 Uhr findet der zweite Teil vom Workshop „How to be an Ally“ teil. Wir laden euch herzlich zur Teilnahme ein!
„How to be an Ally“ richtet sich an weiße* Menschen. Es werden Strategien und Handlungsmöglichkeiten zur Unterstützung von rassismusbetroffenen Menschen weiter vertieft. Es wird erarbeitet, wie weiße Menschen als Verbündete für Personen of Color in Deutschland handeln können. In einem offenen und diskriminierungskritischen Raum werden Unsicherheiten reflektiert, die weiße Menschen bei der Auseinandersetzung mit Rassismus erfahren.
Dieser Workshop ist ein Aufbau-Workshop. Am Anfang werden einige Aspekte aus dem Basisworkshop wiederholt und auf die Lebensrealitäten angewandt. Es ist grundsätzlich möglich, ohne Basisworkshop am 17.4. teilzunehmen. Dafür ist jedoch eine vorherige Auseinandersetzung mit Rassismus in Deutschland notwendig. Der Workshop eignet sich nicht als Einführung in die Problematik.
Der Workshop wird von Aparna Berndt und Marijana Bogojević geleitet. Aparna Berndt ist Autorin und Antirassismustrainering. Sie studierte Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus und forscht zu fiktionalem Horror aus postmigrantischer Perspektive. Aparna ist Kolumnistin beim Missy Magazine. Außerdem ist sie Presse- und Communitymanagerin des Kinofilms „Futur Drei“ von Jünglinge.“ Marijana Bogojević beschäftig sich als Sozialwissenschaftlerin, politische Referentin und Aktivistin mit gesellschaftspolitischen Themen aus einer (post)-migrantischen Perspektive. In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung sind hierbei vor allem Menschenrechtsthemen, wie LGBTIQ*, Feminismus und Antirassismus von Relevanz.
„How to be an Ally 2“ findet online über Zoom statt. Weitere Informationen bekommt ihr von Jasper Steingrüber (jasper.steingrueber@medinetz-jena.de). Da wir nur eine begrenzte Teilnehmendenzahl haben, bitten wir um Anmeldung per E-Mail bei Jasper.
Bis dahin solidarische Grüße,
Euer MediNetz Jena
*weiß ist in diesem Sinne eine politische Bezeichnung für Menschen, die in Deutschland nicht von Rassismus betroffen und damit in einer privilegierten Position sind